Am 21. Dezember 2024 sind es genau zwei Monate seit der Verhaftung von Nanuk. Seit dem 23. Oktober sitzt er in Untersuchungshaft in Berlin-Moabit.
Die ersten 24 Stunden nach der Verhaftung musste Nanuk in Hand- und Fußfesseln verbringen. Die Blessuren an Knie und Handgelenk, die er durch die Verhaftung davongetragen hat, werden langsam besser. Den Umständen entsprechend geht es ihm aber gut. Nanuk bedankt sich für die Unterstützung und Solidarität, die er gerade erlebt.
In der JVA wurden Nanuk bis Anfang Dezember hohe Sicherheitsbeschränkungen auferlegt, die erst in langsamen Schritten gelockert werden. Im Anstaltsprozedere wird das durch ein stigmatisierendes Punktesystem an der Zellentür ausgedrückt, so hat er unter anderem einen grünen Punkt für „potenziell gewalttätig“. Damit es auch der letzte Wärter versteht, wurde die Zellentür zusätzlich mit der Anweisung „zu zweit öffnen“ und „Hand-zu-Hand übergeben“ versehen. Die Konsequenzen der vielen Punkte und Schilder sind weitreichend. Ganz konkret bedeutet das pro Tag 22 Stunden Einschluss, 2 Stunden gemeinschaftlicher Hofgang, aber keinen Aufschluss. Dafür hatte er aber von Anfang an Unterstützung von Mitgefangenen, zu denen der Kontakt sehr gut ist.
Die Teilnahme an allen Sport- und anderen Freizeitaktivitäten war Nanuk bis vor kurzem untersagt. Inzwischen gibt es erste Lockerungen, und es wurde eine zusätzliche Stunde Freisport bewilligt. „Aber Langweile kommt nicht auf, ich lese und schreibe den halben Tag“.
Die Möglichkeit auf Selbstbestimmung ist im Knast nicht vorhanden, für alles was gebraucht wird oder man machen möchte, müssen Anträge (Vormelder) gestellt und bewilligt werden. Und alles braucht viel Zeit, manchmal Wochen bis ein Antrag bearbeitet wird und das auch nur dann, wenn man immer wieder nachfragt. Wer kein Deutsch kann, hat in dem System verloren.
Bis heute hat Nanuk zum Beispiel kein einziges Buch von draußen erhalten können, trotz vieler von ihm gestellter Anträge. Immerhin darf er sich Bücher aus der Bibliothek ausleihen. Auch auf das Zustellen der abonnierten Tages- und Wochenzeitungen, was etwas unregelmäßig passiert, musste er wochenlang warten. Auch wenn alles dauert und ein selbstbestimmtes Leben anders aussieht, „freue ich mich meistens auf die Erfahrungen des nächsten Tages“, schreibt er.
Bis heute wurde Nanuk immer noch keine private Post zugestellt: keine einzige Postkarte und kein einziger Brief von draußen erreichte ihn. Es stellte sich raus, dass die JVA Moabit die Post nicht an den GBA zur obligatorischen Postkontrolle weitergeleitet hat. Immerhin kamen nach circa 6 Wochen die ersten Briefe von Nanuk an. Auch bei den Besuchen ist es eindeutig, dass die JVA und das LKA ihre Macht ausüben und ausnutzen, wo sie nur können, um Gefangenen das Leben zu erschweren. Zwar durfte Nanuks Mutter ihn ein paar mal besuchen, doch ein Besuch konnte nicht stattfinden, da die JVA wohl „vergessen“ hatte, das LKA – das für die Überwachung der Besuche zuständig ist – zu informieren. Und Stand heute wurde auch nur ein Teil der beantragten Besuchserlaubnisse bewilligt. Ein Antrag wurde wegen „Verdunklungsgefahr“ abgelehnt. Nanuk ist für Taten beschuldigt, die schon im ersten Antifa-Ost-Verfahren verhandelt worden sind, was die „Verdunklungsgefahr“ als vorgeschobenen Grund ziemlich eindeutig wirken lässt. Es ist eine altbekannte Praxis, dass die Justiz den Besuch von Menschen, die als „linksextrem“ eingestuft werden, verhindert. Dass dies eine Strategie ist, um politische Gefangene von ihrem politischen Umfeld zu trennen, ist mehr als eindeutig.
Die Ermittlungen gegen Nanuks Umfeld zeigen deutlich die Repressionsmechanismen und den Aufwand, den die Ermittlungsbehörden betreiben. Bekannt ist, dass bereits im Mai 2023 eine Person von BKA Beamt*innen an der Wohnadresse aufgesucht wurde. Hierbei ging es um Erkenntnisse, die im Zusammenhang mit einer Fahrzeugüberlassung stehen soll. Ziel des BKAs war es, an Informationen und Kennverhältnisse zum Aufenhaltsort Nanuks zu gelangen. Diese Bemühungen wurden ein Jahr später, also im Mai 2024 intensiviert. Die betreffende Person wurde mittels Telekommunikationsüberwachung und einer erneuten Vorladung durch den GBA in den Fokus der Ermittlung genommen. Aufgrund der Verweigerung der Aussage wurde darüber hinaus ein Ordnungsgeld gegen die Person erlassen.
In der letzten Woche wurden mehrere Briefe zugestellt, aus denen hervorgeht, dass Menschen aus Nanuks Umfeld von Überwachungsmaßnahmen betroffen waren. Mindestens fünf Menschen wurde mitgeteilt, im Laufe des letzten Jahres von Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung und von Observationen betroffen gewesen zu sein: Abhören von Telefonen, Überwachung von E-Mail-Verkehr und Internetanschlüssen, tagtägliche Observationen, Abhören von Gesprächen außerhalb vom Wohnraum und „Begleitung“ in den Urlaub.
Aus einem Beschluss lässt sich auch erschließen, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz einen Teil der Observationen von Nanuks Umfeld übernommen hat. Für wie lange und in welchem Ausmaß diese Maßnahmen stattfanden, ist nicht bekannt und wird vermutlich nie bekannt werden.
Zu erfahren, dass Telefongespräche abgehört wurden, dass man in seinem Alltag observiert wurde, macht wütend und empört. Doch warum bringt es solche Gefühle hoch? Vom Staat haben wir nichts anderes zu erwarten. Genau wie Nanuk dafür beschuldigt ist, seine politische und antifaschistische Haltung gelebt zu haben, so ist es sein Umfeld. Betroffen sind Genoss*innen, die sich vor der zu erwartenden Repression nicht haben einschüchtern lassen, deren „Verbrechen“ es ist, Lebensabschnitte und Kämpfe mit Nanuk zu teilen und die den politischen Kampf weiterführen und aufrecht bleiben.
Nicht unsere Genoss*innen sind Schuld an den Observationen und dem Rattenschwanz, den Repression mit sich bringt, sondern allein der Staat und sein Verfolgungswahn gegen Antifaschist*innen.
Ob hinter den Gefängnismauern oder draußen, der Kampf geht weiter.
Antifaschismus ist kein Verbrechen.
Freiheit für alle Antifaschist*innen. Glück und Kraft in den Untergrund.