Nanuks Redebeitrag für die Demonstration in Gedenken an Ferhat Mayouf
hier der Aufruf zur Demo und hier ein Artikel über die Demo.
Der Vorwurf ist aktuell gefährliche Körperverletzung gegen militante Neonazis, sowie die Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Zusammen mit sechs weiteren angeklagten Antifaschist:innen soll öffentlichkeitswirksam ein weiterer Anitfa-Ost-Prozess in Dresden geführt werden.
Im Knast bin ich von Anfang an unter verschärften Sicherheitsauflagen, wodurch es in den letzten Monaten für mich unmöglich war, an Sport– oder Gruppenaktivitäten teilzunehmen. Auch der Zugang zu Ärzten war dadurch erschwert. Inzwischen wurden Teile der Auflagen gelockert, was hauptsächlich die Arbeit der Schließer erleichtert, aber so kann ich inzwischen auch an Sport und Freizeitgruppen teilnehmen. Zwar darf ich mit anderen Gefangenen zum Hofgang, aber der tägliche Stationsaufschluss, wo alle Häftlinge duschen, zum Kühlschrank gehen oder einfach gemeinsam die anderthalb Stunden Freizeit verbringen, wird mir weiterhin verwehrt. Die Begründung ist, dass ich ein Extremist sei, unabhängig davon, dass bei Untersuchungshäftlingen eine Unschuldsvermutung gilt. Verurteilte Mitglieder des sogenannten Islamischen Staates, die zu hohen mehrjährigen Haftstrafen, auch wegen Gewalt während der Haftzeit, verurteilt wurden, sind nur zum Teil von solchen Sicherheitsverfügungen betroffen. Sie dürfen arbeiten und haben Stationsaufschluss.
Auch der Umgang mit meiner Post ist immer wieder ein Ärgernis. So verschwindet Post und wird über Monate in der JVA gestapelt, wird erst nach Wochen von der Staatsanwaltschaft kontrolliert oder wird mir einfach nicht ausgehändigt.
Gefangene ohne deutschen Pass, ohne ausreichende Deutschkenntnisse, in psychischen Krisen als auch Menschen mit traumatischen Erfahrungen oder Suchterkrankung machen über die Hälfte aller Insassen in der JVA aus. Viele der Gefangenen haben Narben an ihren Armen von Selbstverletzungen, die stummen Zeugen ihrer traumatisierten Biographien sind oft zu sehen.
Diese sozialen Gefangenen sind häufig die Betroffenen von Übergriffen der Schließer, das reicht vom Beschimpfen, von dem Ignorieren und Verwehren ihrer Rechte bis hin zu massiver körperlicher Gewalt. Knast ist für alle Gefangenen eine psychische Ausnahmesituation, abgeschnitten von allen vertauten sozialen Bindungen wie Familie und Freund:innen, über Stunden alleine in einer 8m2 Zelle mit Unsicherheiten, Angst und Wut.
Für einige der Gefangenen ist Knast so belastend, dass sie stundenlang gegen die Zellentüren schlagen, immer wieder schreien oder sich selbst verletzen. Sie gehören nicht in die JVA ohne psychiatrische Hilfe, dennoch werden sie einfach zusammen mit allen anderen Gefangenen weggesperrt. Dies führt nur dazu , dass sie erneut traumatisiert werden und Andere psychisch mitbelastet werden. Auch der Mangel an Personal von Sozialarbeitern, Psychologen und Schließern verschärft diese Situation im Knast. Im Umgang mit Gefangenen in psychischen Krisen scheinen die Schließer oft überfordert.
Aus Verzweiflung hielt sich ein Gefangener ein Messer an den Hals, als wir zusammen auf dem Hof waren. Er drohte mit Selbstmord gegenüber den Schließern, bevor sie ihn zu zehnt überwältigten.
In der Nacht zum 10. Juni 2025 wurden wir durch das laute Rufen eines Gefangenen an seinem Zellenfenster geweckt. Er hatte in dem gegenüberliegenden Gebäude eine brennende Zelle entdeckt. Gemeinsam versuchten wir durch schreien, gegen die Zellentür hämmern und den Notrufanlagen in den Zellen, die Schließer zu alamieren, aber ohne Reaktion.
Ein Gefangener telefonierte währenddessen mit seiner Familie außerhalb des Knastes, die zeitgleich die Feuerwehr unterrichtete, da es von den Schließern über 15 Minuten keine Reaktion auf unsere Hilferufe gab. Nach zwanzig Minuten erschienen die Feuerwehr und Rettungswagen. Inzwischen schlugen die Flammen aus dem durch die Hitze zerbrochenen Fenster der Zelle. Auch der zweite Raum der Begegnungszelle hatte Feuer gefangen. Soweit ich es einschätzen kann, wurden die beiden Gefangenen von den Schließern schnell aus ihrer Doppelzelle geholt. Aus Vorsicht wurden noch während des Brandes weitere Gefangenen aus den umliegenden Zellen evakuiert. Es soll keine Schwerverletzten gegeben haben und die Schließer haben glücklicherweise schnell reagiert. Solche Vorfälle geschehen in Knästen immer wieder, nicht nur in autoritären Staaten wie Russland, Türkei oder Ungarn. Dort sind die Situationen von Willkür und Gewalt, denen Gefangene ausgesetzt sind, um vieles schlimmer. So ist die antifaschistische Person Maja im Juni in Hungerstreik getreten, um bessere Haftbedingungen und eine Überstellung nach Deutschland zu erkämpfen. Auch hier in Berlin verweigerte Andreas Krebs in der JAV Tegel über 30 Tage die Nahrungsaufnahme, um auf seine Haftbedingungen aufmerksam zu machen.
Wenn Menschen eingesperrt werden, weil sie keinen deutschen Pass haben, aus der Not heraus kleine Diebstähle begehen oder einfach kein Geld für Bahntickets haben, dafür aber Milliardenbetrüger wie in „CumEx“ und „WireCard“-Verfahren Bewährungsstrafen und Haftverschonung bekommen. Dann bestraft dieses Justizsystem Armut, und wir als Gesellschaft müssen eine breite, solidarische Antwort finden, um die sozialen Probleme zu lösen, statt Menschen zu kriminalisieren, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Und auch hier im Knast ist ein Ort für Solidarität untereinander, diese ist viel stärker und verbreiteter als ich gedacht hätte bevor ich es selbst erlebte. Dies hat mir hier im Knast sehr viel Kraft und Mut gemacht.
Für eine befreite Gesellschaft auch ohne Knäste.
Take Care, Nanuk